Neufundland setzt sich mit Scham auseinander

“SCHAM“ LP Release: 31.05.2019 (Unter Schafen Records / Kontor Media)

Der Soziologe Sighart Nickel hat einmal geschrieben: „Scham ist Wahrnehmung von Ungleichheit, Beschämung eine Machtausübung, die Ungleichheit reproduziert“

Wer aber bestimmt, wofür wir uns schämen. In unserer neoliberalen Zeit zählt der Erfolg. Wir schämen uns für unseren schlecht bezahlten Job,unseren  Körper, der nicht dem Schönheitsideal entspricht, unserer Herkunft oder unserer Depressionen. Und warum schämen sich die einen, während die anderen die sich schämen sollten, sich niemals schämen. Von Scham zu sprechen, heißt also von Machtverhältnissen und von Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft zu sprechen.

Schon mit ihrem Debütalbum „Wir werden niemals fertig sein“ erhob die Kölner Band Neufundland den Anspruch, Indie-Pop mit politischem Diskurs zu verbinden. Dieses provokante Konzept verfolgen sie  mit ihrem zweiten Album “Scham” weiter.

In den zwölf Tracks werden die Verhältnisse in unserer ach so liberalen Gesellschaft werden in Zweifel gezogen und in Frage gestellt. Ist Liebe nur ein Versprechen aus der Werbung (Liebe)?  Wird uns eine Lüge aufgetischt, dass künftig alles besser wird (Alles Lüge)? Es wird Kritik an der Generation Y geübt, die als Backpacker um den Globus düst (Hochwassertouristen), die Scheinheiligkeit der Gesellschaft angeprangert (Viva La Korrosion),  aber auch die eigenen männlichen Privilegien im Sinne der Toxic Masculinity reflektiert ( Männlich, blass, hetero). Es bleibt allerding zum Glück nicht beim Lamento, dass man mit den Falschen abhängt (Im Netz der Spinner). Als Ausweg aus dem Dilemma wird die Solidarität mit Verlieren aufgezeigt (Staub der Verlierer) oder mit den Randgestalten (Die Nacht ist jung), denn am Ende gilt, Unkraut vergeht nicht (Disteln).

Es ist Neufundland hoch anzurechnen, dass sie sich mit den  Verbrechen der NSU auseinandersetzen, wie Behörden als Hans guck in die Luft nicht wahrnehmen wollen, dass rechte Jugendlichen vom Rassismus in den Terrorismus abschlittern und zu Attentätern werden (Eine Nagelbombe später). Vergleicht man dies mit dem  deutschen Pop von Max Giesinger, Mar Foster und Co, der im Mainstream geboten wird, unterscheidet sich die aufrüttelnde Nachdenklichkeit von Neufundland wohltuend.

Für den Sound zeichnet Produzent Tillmann Ostendarp, der Schlagzeuger der Schweizer Band Faber, zusammen mit Sänger Fabian Langer verantwortlich. Das komplexe Gitarrenspiel hat internationales Niveau. Vergleiche mit Maximo Park oder Real Estate sind angebracht. Wem Bilderbuch textlich zu wenig Relevanz bietet, dem sei Neufundland ans Herz gelegt.

Das Album Scham ist ab Freitag auf den üblichen Kanälen verfügbar.

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