Auf die Ohren (Adohr) hat immer schon ein offenes Ohr für Musiker aus der Schweiz. Phoam, Gina Eté, Evelinn Trouble oder jüngst Ayu sind Juwelen, die aus dem Mainstream heraus blitzen. Eine Band aus der Schweiz, die zu unseren Lieblingen zählt, ist Black Sea Dahu. Der Schweizer Musiker Kieran Fence hat eine Verbindung zu Black Sea Dahu, davon mehr im Interview.
Kieran hat sich mit seinem Debüt eines berührenden Themas angenommen. Auch in gut situierten Familien in unserer Wohlstandsgesellschaft kommt es vor, das Kinder von ihren Eltern vernachlässigt werden, weil die Eltern mit vermeintlich wichtigeren Dingen beschäftigt sind. Kieran hat diese traurige Wahrheit musikalisch gefühlvoll in einer ergreifenden Ballade umgesetzt (Link zur Single). Wir sollten uns den Namen Kieran Fence merken. Von dem Absolventen des British and Irish Modern Music Institute (BIMM) wird man bestimmt künftig noch mehr gute Musik hören. Adohr freut sich, dass das Talent einige Fragen beantwortet hat. Schaut euch das Video zu „Bother “ am Ende der Interviews an.
Beitragsfoto: Videostill – Video von Nicolas Heitz
Adohr: Hallo Kieran, erzähl uns ein wenig von dir. Du kommst aus der Schweiz, aus einem kleinen Bergdorf oder einer großen Stadt?
Kieran: Ich bin gebürtiger Basler, insofern nicht ganz so nah an der frischen Bergluft, dafür aber an der deutschen Grenze. Meine Mutter kommt aus Kiel und hat sich glücklicherweise dafür entschieden, mich und meinen jüngeren Bruder auf Plattdeutsch groß zu ziehen. Doch eine eher seltene Erscheinung in den südlicheren Breitengraden. Meinen Künstlernamen Kieran fand ich vor ca. 20 Jahren in Mama’s Namensbuch, wo sämtliche Optionen für meine Benennung aufgelistet waren. Ich fühlte mich sofort dazu hingezogen und identifizierte mich tatsächlich für ein paar Jahre damit (als Zweitname). Fence ist schlichtweg die direkte Übersetzung meines Schweizer Nachnamens Haag.
Adohr: Wie und warum hat es dich nach London verschlagen? Musiker zieht es doch meistens nach Berlin.
Kieran: Nach London bin ich 2017 gezogen, weil mich die Musikhochschule BIMM London überzeugte und ich in einer Kulturhochburg Gesang studieren wollte. Da kam Berlin tatsächlich auch in Frage, da es BIMM auch dort gibt, aber schlussendlich hatte London auf mich (und meine Schweizer Bandkumpels und Schulfreunde von Quintessenz) eine stärkere magnetische Wirkung.
Adohr: Wie bist du dazu gekommen, Musik zu machen und was treibt dich an, den Weg als Künstler zu gehen?
Kieran: Das Liederschreiben entdecke ich seit ich ca. 18 Jahre alt bin und ich liebe es, darin meine Gedanken zu verankern, ihnen eine Stimmung und Klang zu geben. Mit jeder Rückmeldung zu Inhalten oder ausgelösten Gefühlen in meiner Musik fühle ich mich mehr berufen, meine Stimme zu brauchen und diese Plattform auszunutzen – was für eine kraftvolle Position!
Kieran Fence veröffentlichte seine Debütsingle „Bother“
Adohr: In deinem Spotify Account schreibst du: “Ich mag die Tatsache, dass ich ein heterosexueller Mann bin, der stolz auf all seine Gefühle und auf den Rock ist, den ich gelegentlich trage. Es fühlt sich großartig an und Sie sollten es versuchen! Wenn ich traurig bin, weine ich und manchmal weine ich sogar, wenn ich nicht glücklicher sein könnte. Das sind meine Lieblingstränen! Ich glaube irgendwie, dass die Welt zu einem besseren Ort werden kann, wenn wir alle ein bisschen mehr von unserer verletzlichen Seite zeigen.” Das bringt mich zu der Frage, wie soll das Rollenverständnis von uns Cis-Männern heute sein und welchen Einfluss hat das Gender/Identitätsbewusstsein auf deine Musik?
Kieran: Durch offenes Zuhören bei Gesprächen über Identitätsbefinden (unabhängig von Geschlecht, kulturellem Hintergrund, Hautfarbe oder Gesellschaftsschicht) wird mir immer wieder bewusst, wie privilegiert ich bin und wie glücklich ich mich damit schätze. Dies in allerlei Hinsichten – sei das, weil ich weiss, wie es sich anfühlt, von Eltern geliebt zu sein (siehe „Bother“) oder weil mir als weisser, heterosexueller Cis-Mann mit Schweizer und Deutscher Staatsangehörigkeit nur sehr wenige Steine im Weg lagen, wenn ich etwas erreichen wollte. Ob sich das nun auf meine Karrieremöglichkeiten bezieht, oder auf das Verständnis meiner Rolle in der Gesellschaft. Ich merke, dass vielen Männern mit vergleichbarem Hintergrund gar nicht bewusst ist, wie wir auf andere wirken, mit welchen täglichen Schikanen Menschen aus weniger bevorteilten Communities zu kämpfen haben, geschweige denn wie sich diskriminierendes Verhalten wirklich anfühlt. Ich fühle mich mit meinen Möglichkeiten dazu verpflichtet, zu lernen und Rücksicht zu nehmen und vor allem, die Rolle des Cis-Mannes stärk zu überdenken. Ich habe noch nicht genügend bewusste und rücksichtsvolle „Männer“ in meinem Umfeld und habe den Anspruch an uns selbst, stärker und präsenter zu werden – und dies nicht in der Bizepsregion oder dem Testosteronspiegel in unserem Blut, sondern in unserer Offenheit, dem Zuhören, unserer Emotionalität und Rücksichtnahme.
Adohr: Und zum Schluss, erzähl was über deine Verbindung zu Black Sea Dahu.
Kieran: Krasser Jump. Black Sea Dahu ist sowas von allererste Sahne! Wir haben mit Quintessenz 2016 an einem Festival als ihre Vorband gespielt, als sie noch Josh hießen. Es ist so schön, ihre Entwicklung zu beobachten, die Werte zu sehen, für die sie einstehen und auf ihren Konzerten immer wieder Zeit zu finden für persönliche und inspirierende Gespräche. Die sind allesamt saugute Leute!
Adohr: Vielen Dank und viel Erfolg mit deiner Single.